Ich wollte mich gerade auf die andere Seite drehen, als der Wecker um 2 Uhr morgens klingelte. Mist, dachte ich mir, ich bin nicht mal richtig eingeschlafen, und jetzt muss ich schon direkt wieder aufstehen? Aber es war nur ein flüchtiger Gedanke. Denn eine Stunde später saßen wir schon im Auto, um pünktlich am Parkplatz in Hammerstiel anzukommen. Auf dem Plan: Watzmann über die Wiederroute. Kurz nach 5 Uhr starteten wir unsere Tour Richtung Kührointhaus – es zeigten zwei Wegweiser zu diesem Punkt. Wir nahmen den Weg über die Grünsteinhütte – und es war definitiv die richtige Wahl. Kaum sind wir bei der Grünsteinhütte angekommen, zeigte sich langsam die Sonne und ein herrlicher Blick auf den Königssee, der von Wolken bedeckt war, bereicherte den Morgen. Anstatt die ausgeschriebenen eindreiviertel Stunden brauchten wir allerdings nur eine bis zu diesem Punkt. Rasch ging es weiter über das Kührointhaus in das Watzmannkar.
Das Wetter war auf unserer Seite, auch wenn es im Kar ziemlich windig und kühl war – die Sonne wartete in der Wiederroute weiter vorne bereits auf uns. Die letzten 150 bis 200 Höhenmeter zum Einstieg in die Route verliefen mühsam. Anstrengendes Geröllfeld, unter dem sich die Reste vom Gletscher versteckten und ein altes, rutschiges Schneefeld bremsten uns und kosteten etwas Zeit und Kraft. Nachdem wir diese Passage und die 1200 Höhenmeter endlich hinter uns ließen, kamen wir an dem schönsten und spaßigsten Teil unserer Tour an – und ich sag’s euch, den haben wir uns definitiv verdient!
Der Einstieg
Los ging die Kraxelei in etwas brüchigem Gelände – wir entschieden uns dazu, kein Seil und Keile mitzunehmen und die Route seilfrei zu gehen. Das spart nämlich Zeit und das Gelände – dank alpiner Erfahrung – beherrschen wir. Das sparte uns enorm viel Zeit, ( 2,5 Stunden brauchten wir für die Wand) denn sichern kostet immer viel Zeit – sollte man allerdings doch machen, wenn man sich im Gelände etwas unsicher fühlt; wobei sich dabei natürlich die Frage stellt, ob man die Route dann überhaupt machen sollte.
Nachdem wir die ersten brüchigen Stellen (III- und II) überwunden haben, ging es schon bald auf das ungefähr 30 Meter breite, 300 Meter lange Wiederband.
Der Verlauf der Tour
Was für ein Erlebnis! Wer in der Wiederroute klettert oder spaziert, sollte definitiv auf Reibung treten können – jedoch wird die Route durch paar Tritte in den Wasserrinnen entschärft. Man sollte sich meist rechts halten – an der Wand kann man sich zusätzlich auch gut festhalten. Ein altes Schneefeld musste ausgewichen werden (links am Rand vom Feld), das ging aber problemlos, das Band erwies sich noch breit genug. Man tritt am Band bestenfalls keine nassen Stellen – ausrutschen ist keine Option.
Nach dem Band kommt man zu einem Felsturm, wo sich ums Eck auch das Wandbuch versteckt. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es weiter rechts durch die Rinne (III-).
Das nächste breitere, 10 Meter lange Band suchend sollte man sich nicht verlaufen. Nach der Rinne geht es recht lang gerade aus, durch ein Felsenfenster.
Hier gilt es aufmerksam zu sein, um nicht zu früh links auf das falsche Band abzubiegen. Als Hilfestellung bei der Routenfindung bieten sich paar rote Punkte und Steinmadl an. Wenn man sich fragt, welches Band das Richtige ist, sollte man sich an die Steinmadl und an den großen roten Punkt am Ende des Bandes sowie auf die Wasserrinnen konzentrieren, damit man sich nicht verirrt.
Bald dürfen wir die Sicht an die richtige Ostwand vom Watzmann genießen. Absolut beeindruckend und macht Lust auf mehr.
Nach einer kurzen Pause gingen wir nun weiter Richtung Gipfel – bald sichteten wir die ersten Menschen, die sich von der Mittelspitze Richtung Südspitze am Klettersteig bewegten.
Wiederroute – die Schlüsselstelle
Und schon kamen wir bei unserer letzten Herausforderung im Aufstieg an – bei der letzten III-Passage.
Endlich wieder eine richtige Genusskletterei, griffig, rau und größtenteils fest. Was für ein Spaß! Hier sollte man jedoch ebenfalls seinen Füßen vertrauen – auf Reibung zu treten ist teilweise nicht umgänglich. Meine absolute Lieblingspassage waren diese letzten 50 Klettermeter – ein Traum! Etwas erschöpft, aber glücklich und stolz kamen wir bei Kaiserwetter am Gipfel an.
Kurz aufatmen, die Aussicht genießen. Energiespeicher aufladen. Zufrieden und stolz auf sich sein. Denn wir hatten einen traumhaften Aufstieg auf einen bekannten Gipfel hinter uns. Auf den Watzmann. Und bald ging es schon wieder runter, denn die 2000 Höhenmeter hinauf wollten wieder abgebaut werden. Und schon ging es über den abgespeckten Klettersteig Richtung Hocheck (2713m) – eine halbe Stunde später standen wir an unserem zweiten Gipfel des Tages.
Der lange Abstieg steht noch vor uns
Wir verweilten uns jedoch nicht so lang, wir hatten nämlich das Watzmannhaus im Auge. Der Abstieg zog sich aber ins Unendliche, viel zu früh erblickten wir das Watzmannhaus und doch wollte es nur ganz langsam an uns nähern. Desto glücklicher waren wir, als wir es erreichten und auf eine Abkühlung einkehrten.
Nach unserer wohlverdienten Pause machten wir uns auf den Weg zum Parkplatz, der doch tatsächlich früher kam, als erwartet. So brachten wir die Tour gegen 17:30 zu Ende.
Wiederroute Watzmann-Fazit
Was ich bei der Wiederroute gemerkt habe, dass kleine Kraxeltouren auf (weniger bekannte) Berge so unfassbar viel für die Felserfahrung bringen. Du lernst den Fels kennen, deine Orientierung wird besser, du lernst, welche Griffe gut sind, welche weniger, du lernst eine Menge über dich selbst. Du merkst, wo deine Grenzen sind – im Können UND im Kopf. Mir persönlich ist es aufgefallen, dass mich öfters mein Kopf viel mehr hindert – vom Können her würde ich so viel mehr hinbekommen, doch mein Kopf sagt gerne mal „nein, ich möchte nicht, jetzt kriege ich Panik, was mache ich hier überhaupt, zu gefährlich …“ und so weiter. Natürlich darf man nicht übermütig werden und es schadet nicht, eine mentale Bremse zu haben. Aber man lernt durch diese Touren eine Menge über sich und wie man die eigenen Grenzen verschieben kann. Aber dazu kommt nochmal ein ausführlicher Blogpost.
Vielen Dank für den großartigen Erfahrungsbericht! Ich kenne das gut mit den mentalen Grenzen, gerade beim Klettern… bis eben ging alles gut, zack rattert der Kopf und sagt, ne ne ne , zu gefährlich, das geht nicht! Zurück! Bin gespannt auf den extra Blockpost zu dem Thema! Danke für deine schöbe Darstellung der Tour! Gleich notiert. ?
Vielen Dank, freut mich sehr, dass er dir gefällt. Die Tour ist wirklich großartig! ?
Oh ja, der Kopf kann manchmal ganz schön böse sein… was zwar manchmal auch von Vorteil sein kann. Aber wie ich finde kann man das ganz gut trainieren. Der Blogpost kommt bald dazu!
Wünsche dir einen schönen Sonntag! ☀️